Fluggesellschaften sind im eigenen Interesse darangehalten, vor dem Abflug in geeigneter Weise zu überprüfen, ob sich Passagiere im Besitz der notwendigen Einreise-Dokumente befinden. Vor diesem Hintergrund kann eine Fluggesellschaft unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens dazu verpflichtet sein, ein wegen fehlender Dokumente verhängtes Bußgeld zumindest anteilig zu übernehmen. Dies entschied jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom Urteil vom 15. Mai 2018 (Az.: X ZR 79/17).
Ankunft ohne erforderliche Papiere
Die Richter in Karlsruhe hatten über die Klage einer Fluggesellschaft gegen einen Passagier zu entscheiden. Der Mann war im Frühjahr 2015 mit der klagenden Fluggesellschaft nach Indien gereist. Bei der Ankunft stellte sich jedoch heraus, dass der Mann nicht über das für eine Einreise erforderliche Visum verfügte, woraufhin die indischen Behörden ein Bußgeld in Höhe von 100.000 Rupien (umgerechnet etwa 1.415 €) gegen die Fluggesellschaft verhängten. Die Fluggesellschaft verlangte daraufhin die Erstattung dieses Betrages von dem Passagier, womit sie in erster und zweiter Instanz erfolgreich war. Der Bundesgerichtshof hatte nun über die von dem Passagier gegen diese Urteile gerichtete Revision zu entscheiden.
Mögliche Schadensersatzansprüche bei Flugreisen
Zwischen den Flugreisenden und der Fluggesellschaft kommt bei der Buchung eines Fluges rechtlich gesehen der Abschluss eines Werkvertrages gemäß den §§ 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Form eines Luftbeförderungsvertrages zu Stande. Aus diesem Vertrag ergeben sich zahlreiche Haupt- und Nebenpflichten, bei deren Verletzung gegenseitige Schadensersatzansprüche der Parteien entstehen können. So trifft die Fluggesellschaft beispielsweise die Pflicht, den Fluggast zu befördern, und den Passagier die Pflicht, dabei nicht das Flugzeug der Fluggesellschaft zu schädigen. Zudem ist auch bei Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs immer auch ein Mitverschulden der jeweils anderen Vertragspartei gemäß § 254 BGB möglich, durch welches der jeweilige Schadensersatzanspruch gegebenenfalls entsprechend zu kürzen ist.
Fluggesellschaft hätte Dokumente kontrollieren müssen
Im vorliegenden Fall stellte der BGH zunächst klar, dass Passagiere als Nebenpflicht aus dem Luftbeförderungsvertrag mit der Fluggesellschaft auch die Pflicht trifft, die für die jeweilige Reise erforderlichen Dokumente, wie beispielsweise ein Visum, mit sich zu führen. Verletzen die Passagiere – wie im vorliegenden Fall – in vorwerfbarer Weise diese Pflicht, und entsteht der Fluggesellschaft dadurch, beispielsweise in Form von Bußgeldern, ein Schaden, sind die Passagiere der Fluggesellschaft zum Ersatz dieses Schaden verpflichtet. Insoweit bestätigte das höchste deutsche Zivilgericht die vorausgegangenen Urteile der ersten und zweiten Instanz.
Allerdings stellten die Richter auch fest, dass der Fluggesellschaft möglicherweise ein Mitverschuldensvorwurf bei der Schadensentstehung anzurechnen sei. Zwar treffe die Fluggesellschaft aus dem Vertrag keine ausdrückliche Pflicht zur vorherigen Kontrolle der Reisepapiere ihrer Fluggäste. Für ein Mitverschulden gem. § 254 BGB sei allerdings eine zurechenbare Mitwirkung bei der Schadensentstehung in Form eines Verstoßes gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung ausreichend.
Die indischen Behörden hätten der klagenden Fluggesellschaft das Bußgeld auferlegt, weil diese gegen ihre eigene rechtliche Verpflichtung verstoßen habe, keinen Fluggast ohne das für eine Einreise nach Indien erforderliche Visum zu befördern. Die Fluggesellschaft sei vor diesem Hintergrund im eigenen Interesse darangehalten gewesen, vor dem Abflug in geeigneter Weise zu überprüfen, ob sich der beklagte Passagier im Besitz der notwendigen Dokumente befindet. Dass sie dies unterlassen habe, könne grundsätzlich für die Annahme eines Mitverschuldensvorwurf ausreichen. Insofern hätten die vorherigen Instanzen ein etwaiges Mitverschulden der Fluggesellschaft berücksichtigen müssen. Der BGH hob daher das vorherige Urteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung zurück an das Landgericht.
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