In gleich 5 Verfahren hat der Bundesgerichtshof am 12.05.2016 über verschiedene Haftungsfragen zur Teilnahme an Internet-Tauschbörsen entschieden. Hervorzuheben sind hierbei vor allem die beiden folgenden Entscheidungen.
1. Ohne Anlass keine Belehrungs- und Überwachungspflicht für volljährige Besucher
In dem Verfahren I ZR 86/15 wurde die Beklagte wegen der unerlaubten öffentlichen Zugänglichmachung des Filmes „Silver Linings Playbook“ von dem Rechteinhaber an dem Film auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 755,80 € in Anspruch genommen. In den Vorinstanzen wurde festgestellt, dass nicht die Beklagte, sondern ihre Nichte sowie deren Lebensgefährte hierfür verantwortlich waren. Beide leben in Australien und waren bei der Beklagten zu Besuch, als es zu dem Vorfall kam. Das Landgericht Hamburg (Urteil v. 20.03.2015 – 310 S 23/14) hatte die Beklagte aufgrund der sogenannten Störerhaftung zur Zahlung der Abmahnkosten verurteilt. Dem ist der BGH nun entgegengetreten. Nach Ansicht des BGH haftet die Beklagte nicht für die von ihrer Nichte oder deren Lebensgefährte begangene Urheberrechtsverletzung. Es bestand für die Beklagte keine Pflicht, ihre Besucher über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internet-Tauschplattformen zu belehren. Dies gilt jedenfalls für den Fall, dass es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Nichte oder deren Lebensgefährte Urheberrechtsverletzungen über den Internetanschluss der Beklagten begehen würden.
Das Urteil ist im Volltext noch nicht veröffentlicht. Dennoch kann bereits jetzt festgehalten werden, dass ohne konkreten Anlass keine Belehrungs- und Überwachungspflicht für volljährige Gäste hinsichtlich der Nutzung des Internetanschlusses besteht.
2. Zum Gegenstandswert der Abmahnung
Die Verfahren I ZR 272/14, I ZR 1/15 und I ZR 44/15 hatten die Höhe des Gegenstandswertes der Abmahnung zum Gegenstand. Nach der Höhe des Gegenstandswertes der Abmahnung bemessen sich die Rechtsanwaltskosten, die der Abgemahnte im Falle einer berechtigten Abmahnung an den Rechteinhaber erstatten muss. Eine eindeutige Rechtsprechung zur Höhe des Gegenstandswertes ist leider nicht zu finden; häufig bestehen zwischen amts- und landgerichtlicher Rechtsprechung weit voneinander entfernte Ansichten zur Höhe des Gegenstandswertes, der für den Abgemahnten einen entscheidenden Kostenfaktor darstellt. Bei einem Gegenstandswert von 10.000 € würden beispielsweise außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von (netto) 745,40 € entstehen. Sollte das Gericht aber den Gegenstandswert in Höhe von 200 € für angemessen erachten, müsste der Abgemahnte nur (netto) 70,20 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten an den Rechteinhaber erstatten.
Da eine konkrete Bestimmung des Gegenstandswertes in der Praxis mit hohem Aufwand verbunden ist, haben einige Gerichte den Gegenstandswert in der Vergangenheit stets auf das Doppelte des erstattungsfähigen Lizenzschadensersatzes festgesetzt. Diese Praxis dürfte nun aber der Geschichte angehören, da eine pauschale Bemessung des Gegenstandswertes nicht möglich ist. Laut BGH soll der Gegenstandswert der vorgerichtlichen Abmahnung stets individualisiert für den Einzelfall zu ermitteln sein. Hierbei sollen u.a. das Interesse des Rechteinhabers an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen, der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts, die Aktualität und Popularität des Werkes sowie die Intensität und Dauer der Rechtsverletzung berücksichtigt werden.
Auch diese Entscheidungen des BGH liegen noch nicht im Volltext vor. Dem Grunde nach hat der BGH hier auch keine vollständige Neuerung für die Bemessung des Gegenstandswertes entschieden. Die Instanzgerichte werden sich aber in Zukunft intensiver mit dem vervielfältigten Werk auseinandersetzen müssen. Für die Höhe des Gegenstandswertes stellt es einen entscheidenden Unterschied dar, ob man einen Hollywood-Blockbuster zur Verfügung gestellt hat oder wegen der Vervielfältigung eines unbekannten Filmes in Anspruch genommen wird.