Ein Augenarzt, welcher gegenüber einem seiner Patienten zum Schadensersatz aufgrund einer fehlerhaften Behandlung verpflichtet ist, muss nicht das vom Landschaftsverband an den Patienten gezahlte Blindengeld erstatten. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 09.09.2016 (Az.: 26 U 14/16). Das Verfahren ist allerdings noch in der Revisionsinstanz beim Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 454/16) und damit nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Fehlende diagnostische Abklärung im Hinblick auf grünen Star
Der beklagte Augenarzt hatte in den Jahren 2006 und 2007 einen Patienten wegen Augenschmerzen und Dunkelsehen behandelt. Dabei hatte er eine Bindehautentzündung diagnostiziert und diese mit Augentropfen behandeln lassen. Trotz fortbestehender Beschwerden unterließ er eine weitere diagnostische Abklärung in Bezug auf die Krankheit „grüner Star“. Ein anderer Augenarzt stellte schließlich Ende 2007 fortgeschrittenen grünen Star in beiden Augen des Patienten fest. Trotz daraufhin durchgeführter Operation verlor der Patient seine Sehschärfe und erblindete beinahe vollständig. Dafür bezieht er seit dem 01.01.2009 vom Landschaftsverband Blindengeld, für das Jahr 2009 circa 30.000 Euro. Die Erstattung dieses Betrags, sowie die Feststellung, dass der Arzt auch in Zukunft das Blindengeld zu erstatten habe, versuchte der Verband vor Gericht einzuklagen.
Rechtliche Folgen einer fehlerhaften Behandlung
Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Behandlung des Patienten durch den Arzt als Behandlungsvertrag dar, welcher in den §§ 630a ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt ist. Begeht der Arzt, wie vorliegend, einen groben Behandlungsfehler, berechtigt dies den Patienten regelmäßig zu weitgehenden Schadensersatzansprüchen. Diese hatte im vorliegenden Fall die Haftpflichtversicherung des Arztes mit der Zahlung einer Abfindung in Höhe von 475.000 Euro an den Patienten abgegolten. Darüber hinaus erhielt der Patient allerdings auch auf Grundlage des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose Blindengeld in Höhe von circa 30.000 Euro von dem Landschaftsverband als Träger der Sozialhilfe ausgezahlt. Dabei ist § 116 des zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu beachten, welcher in Absatz 1 einen gesetzlichen Forderungsübergang wie folgt vorsieht:
„Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den […] Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen.“
Durch den Forderungsübergang soll der Träger der Sozialhilfe, nachdem er die Sozialleistungen an den Geschädigten ausgezahlt hat, die Möglichkeit erhalten, den Schädiger unter Umständen in Regress nehmen zu können. Fraglich war im vorliegenden Fall allerdings, ob das Blindengeld tatsächlich unter die von dem Forderungsübergang erfassten Leistungen fällt.
Fehlende Kongruenz zwischen Blindengeld und Schadensersatzansprüchen
Das Gericht wies die Klage des Verbandes ab. Der Forderungsübergang nach § 116 SGB X setze eine sachliche Kongruenz zwischen der Ersatzpflicht des Schädigers und der Leistungsverpflichtung des Sozialträgers voraus, welche vorliegend nicht gegeben sei. Beim zivilrechtlichen, vom Forderungsübergang erfassten Schadensersatzanspruch werde nach haftungsrechtlichen Gesichtspunkten allein auf den tatsächlich entstandenen blindheitsbedingten Mehrbedarf abgestellt. Demgegenüber werde das Blindengeld auf Grundlage des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie der Erforderlichkeit für den Blinden pauschal gezahlt. Eine sachliche Kongruenz zwischen den Ansprüchen sei somit nicht gegeben. Gegen einen Forderungsübergang des Blindengeldes auf den Sozialhilfeträger spreche zudem, dass der Blinde danach nur noch die über das Blindengeld hinausgehenden Mehraufwendungen vom Schädiger ersetzt verlangen könne und diese Aufwendungen zunächst schlüssig darlegen müsse. Somit stellte das Gericht im Ergebnis fest, dass kein Forderungsübergang bezüglich des Blindengeldes auf den Landschafsverband stattgefunden habe, weshalb dieser auch keinen Anspruch auf Erstattung der Leistungen gegen den Augenarzt habe. Ob auch die Richter des Bundesgerichtshofs in der dagegen eingelegten Revision des klagenden Verbandes dieser Argumentation folgen werden, bleibt abzuwarten.
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