Ein Luftfahrtunternehmen ist einem Fluggast zur Zahlung einer Ausgleichsleistung für eine Flugannullierung verpflichtet, wenn es nicht beweisen kann, dass dieser mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung unterrichtet worden ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Beförderungsvertrag über einen Online-Reisevermittler geschlossen worden ist. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) jüngst in seinem Urteil vom 11.05.2017 (Az.: C-302/16).
Späte Unterrichtung durch den Reisevermittler
Gegen sein Luftfahrtunternehmen geklagt hatte ein niederländischer Fluggast. Dieser hatte über einen Online-Reisevermittler einen Hin- und Rückflug von Amsterdam (Niederlande) nach Paramaribo (Surinam) gebucht. Der Hinflug war für den 14.11.2014 vorgesehen.
Bereits am 09.10.2014 unterrichtete das Luftfahrtunternehmen den Reisevermittler über die Annullierung des gebuchten Fluges. Dieser informierte den Passagier allerdings erst am 04.11.2014 über die Annullierung, mithin lediglich 10 Tage vor planmäßigem Abflug. Der Fluggast forderte daraufhin eine Entschädigung von der Fluggesellschaft. Diese verwies darauf, dass sie den Reisevermittler rechtzeitig informiert habe. Dieser wiederum wies jede Verantwortung von sich. Sein Verantwortungsbereich beschränke sich auf den Abschluss von Verträgen zwischen Fluggästen und Luftfahrtunternehmen. Die Unterrichtung der Fluggäste über Flugplanänderungen obliege dem Luftfahrtunternehmen, dem die E-Mail-Adresse des Fluggastes mit dem Buchungsvorgang übermittelt werde.
Daraufhin erhob der betroffene Passagier Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. Das in erster Instanz zuständige niederländische Gericht legte den Fall zur Vorabentscheidung dem EuGH vor.
Entschädigungsansprüche von Passagieren
Grundsätzlich steht Passagieren bei Annullierungen oder großen Verspätungen ihrer Flüge ein Recht auf Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen zu. Gemäß der Fluggastrechte-VO steht den Passagieren im Regelfall eine Entschädigung von bis zu 600,- Euro pro Person zu, welche in der Höhe abhängig von bestimmten Faktoren wie etwa der Länge der Flugstrecke ist.
Nur ausnahmsweise kann sich ein Luftfahrtunternehmen von seiner Haftung gegenüber den Passagieren befreien. Gemäß Art.5 Abs.1 lit. c) der Fluggastrechte-VO entfällt der Anspruch auf eine Entschädigung, wenn das Luftfahrtunternehmen den Passagier, ohne Möglichkeit einer anderweitigen Beförderung, bereits mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung informiert.
Im vorliegenden Fall war allerdings fraglich, ob das Luftfahrtunternehmen dieser Informationspflicht genüge getan hat. Das niederländische Gericht wollte deswegen im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahren vom EuGH wissen, welche Anforderungen an die Erfüllung der Unterrichtungspflicht im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) der Fluggastrechte-VO zu stellen sind, wenn der Beförderungsvertrag über einen Reisevermittler zustande gekommen oder die Buchung über eine Website durchgeführt worden ist.
EuGH stärkt Rechte der Fluggäste
Die zuständige Achte Kammer des EuGH entschied sich zugunsten des betroffenen Fluggastes. Art. 5 Abs. 1 lit. c und Art. 7 der Fluggastrechte-VO seien dahingehend auszulegen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichsleistung im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, auch dann zu zahlen habe, wenn das Luftfahrtunternehmen den Reisevermittler, über den der Beförderungsvertrag mit dem betroffenen Fluggast geschlossen wurde, mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung unterrichtet hat und der Fluggast vom Reisevermittler nicht innerhalb dieser Frist informiert worden ist.
Luftfahrtunternehmen können sich somit zukünftig nicht mit dem pauschalen Hinweis, den Reisevermittler rechtzeitig über eine Flugannullierung informiert zu haben, von ihrer Haftung gegenüber den Passagieren befreien.
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